Restaurierung alter Nähmaschinen

Howto`s, historische Funde, alte Techniken und Werkzeuge.
inch
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Restaurierung alter Nähmaschinen

Beitrag von inch »

Ich brüte schon seit einigen Wochen über diesem Thema...
Die Phoenix C, um die es hier geht, stelle ich später nochmal separat vor, sie soll hier nicht Thema, sondern eher allgemeines Beispiel sein.
Erste Politur:
20240707_145908.jpg
20240707_145920.jpg
Es gibt verschiedene Herangehensweisen:
Einige meinen, die Maschine komplett stripen und dann alles neu aufzubauen zu müssen, inkl. der nachgefertigten Decals.
Bei einer historischen und zudem seltenen Nähmaschine lehne ich diese Herangehensweise ab, weil jegliche Patina verloren geht, der Maschine sozusagen ihre "Seele" genommen wird, weil - es gibt keine Gebrauchsspuren mehr, welche über das Altern der Maschine Auskunft geben könnten.
Die von mir restaurierte Phoenix C entspricht meinen persönlichen Kriterien:
1) alles muss funktionieren
2) sie sollte komplett in ihren Teilen sein
3) sie sollte optisch insgesamt attraktiv aussehen, ohne ihre Patina verloren zu haben

Nun kommen wir zum Gestell, es sah wirklich räudig aus, die Innenseiten und das Pedal waren komplett rostig.
Auf den Fotos sieht es besser aus, als in Natura.
Auch die Nähmaschinengestelle sind wegen ihrer Bemalung mit einer Schelllack-Schicht versehen.
Schafft man es, durch den Grauschleier zu dringen, sind die Reste der Goldbemalung auch meist hinüber.
Die Gold-Bemalung ist mindestens genauso empfindlich wie die Decals an den meisten Nähmaschinen.
20240801_182754.jpg
20240801_182916.jpg
Die Bemalung war ebenfalls nur noch rudimentär erkennbar - also, ab zum Sandstrahlen und neu lackieren.
Hier das Ergebnis:
20240825_190553.jpg
Das Problem jetzt:
Jedes für sich sieht prima aus, nur das Ensemble insgesamt nicht, weil das Gestell wie "neu" aussieht. smile
Obwohl schon mit vermindertem Glanz lackiert wurde...
Derzeit grübele ich darüber nach, wie ich den Lack, nachdem die Goldbemalung und neuer Schellack aufgebracht wurde, künstlich altere, damit das optisch stimmig zusammen passt.
Soweit bin ich allerdings noch nicht, weil ich erst eine Strukturwalze in Auftrag geben will, um die vorderen Gestellbemalungen wieder aufzubringen.
Am Sonntag werde ich vorsichtig diese Nano-Schwämme testen.
Deshalb an euch die Frage - wie restauriert ihr eigentlich wichtige Maschinen/Gestelle/Objekte und habt ihr Ideen, wie man den Lack künstlich altern kann?
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inch
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Oma`s Grüne Seife

Beitrag von inch »

Heute habe ich eine neue Varianten zum Reinigen der Gestelle ausprobiert:
Oma`s Grüne Seife Konzentrat von der Kieler Seifen GmbH www.kieler-seifen.de und Nano-Schwämme.
Die Grüne Seife, welche auch einen sehr angenehmen Geruch hat, 1:10 verdünnt und dann mit den Nano-Schwämmchen (Schmutz-Radierer) auf den Gestellen wiederholt verrieben.
Das Ergebnis war sehr gut, es kam viel braune Brühe herunter, vermutlich habe ich nur die oberste Schicht vom Schellack abgetragen.
Der schwarze Lack ist zwar noch angegraut, hat aber einen leichten Glanz bekommen und schaut besser aus als vorher.
Im nächsten Schritt tupfe ich die fehlenden Lackstellen mit Schwarz Seidenmatt mehrmals aus.
Dieses Reinigungssystem werde ich an den restlichen Gestell-Teilen weiter anwenden.
Fotos folgen.
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Jonas2404
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Re: Restaurierung alter Nähmaschinen

Beitrag von Jonas2404 »

Hallo Inch,

hast du mal Elsterglanz probiert. Das war eine ostdeutsche Geheimwaffe vorzugsweise auf glatten Oberflächen. Ist immer mal wieder bei Rossmann erhältlich.

Das Gestell der alten Singer (ohne Gold) meiner Oma hatte ich vor Jahren mit Sodareiniger vom Discounter entfettet. Nicht zu lange einwirken lassen. Ging ganz gut

Viele Grüße
Jonas
inch
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Re: Restaurierung alter Nähmaschinen

Beitrag von inch »

Die Markenrechte von Elsterglanz wurden nach 1990 aufgekauft, diesen "neuen" Elsterglanz probierte ich voriges Jahr aus,
mit sehr schlechtem Ergebnis: nach ersten Tests entsorgte ich die Tuben in der Mülltonne.
Das Zeug wurde in kürzester Zeit knochenhart und ich bekam es kaum rückstandsfrei von den Metallflächen entfernt, den Messing-Kronleuchter habe ich mir regelrecht versaut damit, weil das weiße Zeug in den kleinen Poren und Ritzen kaum noch zu entfernen war.
Soda-Reiniger ist ein guter Tip, den werde ich unbedingt noch probieren, ich bin gespannt, wie er sich zum Schellack verhält.
Normale Fettreinger greifen ihn sofort an und die Gold-Decals werden schneller silbrig, als man gucken kann.
Den Fettreiniger, z.B. BREF Power gegen Fett&Eingebranntes von Henkel nehme ich zum Reinigen von Industrienähmaschinen, welche 2K (Hammerschlag)-Lack haben.
Aber selbst bei diesen Maschinen, bei denen die Decals zusätzlich mit Klarlack geschützt sind, darf man nur kurz drüberwischen, sonst sind die weg. rolleyes
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emmi
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Re: Restaurierung alter Nähmaschinen

Beitrag von emmi »

Mich beschäftigt eine dringende Frage: Wie verhält sich denn die Schellack-Schicht auf Maschinenkörpern und -dekors im Petroleumbad?

huh
emmi
inch
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Re: Restaurierung alter Nähmaschinen

Beitrag von inch »

Völlig neutral. Petroleum und Nähmaschinenöl verträgt der Schellack problemlos.
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Jonas2404
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Re: Restaurierung alter Nähmaschinen

Beitrag von Jonas2404 »

Hallo Inch,
vom Elsterglanz gibt es zwei Sorten. Einmal Polierpaste (blaue Tube), ist auch genauso wie ich es aus meiner Kindheit kenne. Aber immer nur in kleinsten Dosen verwenden und sofort wegwischen. Damit habe ich das Handrad meiner Maschine poliert- vorrangig die silberne Stirnseite. Die rote Tube Metall- oder Chrompflege ist Sch.... Mit dem Messing - gut zu wissen.
inch
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Re: Restaurierung alter Nähmaschinen

Beitrag von inch »

Welche Farben die Tuben hatten, weiß ich nicht mehr, sollte ich nochmal etwas für Chrom probieren wollen, achte ich auf die blaue Tubenfarbe.
Ich habe nach meinem Elsterglanz-Ausflug weitergesucht und durch Zufall ein Youtube-Video (wie so oft) gefunden. Hier habe ich den Youtube-Link bereits gepostet.
Ich habe mir das Auto Glym Super Resin Polish im Anschluß bestellt und bin sehr begeistert davon.
Die cremige Polierpaste härtet nach dem Auftragen nicht aus, man kann noch nach Stunden mit dem Polieren beginnen.
Man sollte nur immer kleine Mengen nehmen, weil nach einer gewissen Polierdauer der Schellack bei manchen Maschinen leicht angelöst wurde.
Poliert habe ich die Phoenix C,welche ich später ausgiebig vorstellen werde.
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inch
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Welcher Leim für Holz?

Beitrag von inch »

Ich nehme sehr gern kanadischen Fischleim für Holz-Verklebungen.
Dieser Leim kommt flüssig und bleibt einige Minuten in dieser Konsistenz.
Es ist ein Glutinleim, der jederzeit wieder durch viel Feuchtigkeit reversibel ist, die Scherfestigkeit der Klebung übersteigt jene von Holz.
Sollte die Klebung doch mal versagen, brauchen die Flächen nur nass abgewischt zu werden und können anschließend unter Zugabe neuen Fischleims verklebt werden.
Im Gegensatz zu Glutinleimen sind die Kunstharzleime nicht reversibel, sehr gut zu beobachten bei Stuhlbeinen, die im Laufe der Zeit locker wurden. Neuverklebung ist einfach so nicht möglich. Zuerst müssen sämtliche Leimreste mechanisch entfernt werden.
Egal, was man klebt, man kann nie zuviele Schraubzwingen haben wink
Hier im Bild ein Schubfach für die Phoenix A, welches komplett zerfallen war.
Die Herausforderung hier war, den Schub wieder rechtwinklig unter provisorischen Umständen zusammen zu bekommen.
Man bräuchte dafür mehrere Winkel-Anschläge.
20240904_182923.jpg
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inch
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Größere Fehlstellen im Holz ersetzen

Beitrag von inch »

Der Schub hatte noch einige Ausbrüche am hinteren Teil, ich habe dazu Fischleim mit Sägespänen verrührt und die Stellen damit ausgefüllt.
Etwas feinerer Schleifstaub wäre noch besser gewesen, den hatte ich leider nicht zur Verfügung.
Später habe ich es mit etwas Wasser und der Messerspitze noch etwas glatter gezogen und überschüssiges Material abgenommen.
Nach dem Durchtrocken (ca. 24 h) erfolgt der Feinschliff.
20240905_091227.jpg
20240905_091239.jpg
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