Umarbeit eines Herrenoberhemds in eine Damenbluse Teil 1

[emmi]

Die obigen Wörter Kunst und Handwerk weise ich von mir. Was ich hier beschreibe, ist eine Geduldsarbeit. Mehr nicht.

Vor ein paar Tagen überließ mir jemand für staubige Räumarbeiten ein Herrenoberhemd mit den Worten: "Hier, das hat jemand als Polstermaterial in ein Paket gepackt, das kannst du anziehen.". Ein Markenprodukt, kein allerneuester Chic, aber offensichtlich ungetragen und noch nie gewaschen. Es passte mir, abgesehen von der Länge und der Ärmellänge. Halsweite 39, himbeerrote und weiße schmale Streifen. Bald nahm ich mir vor, das Oberhemd zu einer Bluse für mich umzuarbeiten.

Schon während der Heimfahrt mit der Bahn trennte ich mit der Nagelschere vorsichtig die Brusttasche, die Knöpfe der Knopfleiste und sämtliche Schildchen im Inneren des Hemds ab und freute mich aufs Weitermachen.

Lockere Dreiviertelärmel stellte ich mir vor. Am nächsten Morgen nahm ich eine andere Bluse zum Vergleich und schnitt nach deren Vorlage die Manschetten des Oberhemds ab; natürlich rechtwinklig zum Faden- und Streifenlauf. Die zukünftigen Ärmelsäume wünschte ich mir so breit wie den oberen Saum der abgetrennten Brusttasche. Es zeigte sich, dass der Kragensteg ebenso breit ist (3 cm). Ein "goldenes" Maß anscheinend .

Fortsetzung folgt.

Grüße
emmi

[emmi]

Jetzt wurde es kniffelig. Auf den Bildern 1 und 2 (oben in Teil 1) seht Ihr, dass die Ärmel sich in Richtung Manschetten verjüngen (schmaler werden). Wenn ich ohne Rücksicht darauf die Schnittkanten zum Säumen der Ärmel umgeschlagen hätte, hätte der umgeschlagene Stoff in der Breite nicht ansatzweise gereicht für glatte ordentliche Säume. Ich trennte also einen kleinen Bereich der Längsnähte der Ärmel auf, um im Saumbereich Flicken ansetzen zu können, die den untersten Ärmelbereich breiter machen würden. Diese Flicken hatte mir die Brusttasche geliefert. Großer Schreck: Die knappen Kanten der Längsnähte lagen kappnahtartig ineinandergefaltet da. Sie waren mit zwei Nadeln und Dreifaden-Kettenstich zusammengenäht gewesen. Eine exakte Industrienaht! Wenn ich DAS auseinanderfalten, ausstreichen und Stoffstücke annähen würde ― würde ich es je wieder passgenau ineinanderfalten und mit meiner normalen Haushaltsmaschine mit zwei Nähten ordentlich schließen können? Ich riskierte es.

Die nächste Schwierigkeit: Ich hatte die Flicken großzügig bemessen (Länge 6 cm für doppelte Umschläge, Breite durchaus überstehend) und musste sie in der Breite nun so zurechtschneiden, dass sie den Saum perfekt ausfüllen würden: Ersten Umschlag nach oben schmaler werdend, zweiten Umschlag nach oben breiter werdend. Das Wie und Warum erspare ich Euch, denn es klappte schließlich recht einfach, indem ich erst den Saum (zweimal) faltete und einbügelte und dann das überstehende Stoffpaket abschnitt.

Danach legte ich die Längsnähte der Ärmel wieder wie für eine Kappnaht zusammen. Jetzt waren sie im Saumbereich sehr dick, sodass ich sie sicherheitshalber zusammenheftete, bevor ich mit der Nähmaschine zweimal darüber hinweg nähte. Anschließend nähte ich die Saumnähte. Damit waren die Ärmel fertig.

Nächster Akt: Kürzung des Oberhemds.

Fortsetzung folgt.

Grüße
emmi

[emmi]

Die Länge des Oberhemds kürzte ich mit Hilfe des Papierschnittmusters für das Rückenteil einer letztens genähten Bluse. Der Papierbogen gibt nur eine Hälfte des Rückenteils wider. Ich legte ihn mit seiner langen Seite entlang der Mitte des Oberhemd-Rückenteils an und markierte die gewünschte Unterkante. Eine Saumzugabe hatte ich noch nicht einkalkuliert.

Das Gleiche tat ich mit einer Vorderteilhälfte - mit der langen Seite des Vorderteil-Papierbogens entlang einer vorderen Kante des Oberhemds.

Dann legte ich die seitlichen Längsnähte des Oberhemds von der Achsel bis zum unteren Ende aufeinander, befestigte sie mit Stecknadeln oben und unten, strich die die doppelt liegenden Rückenteilhälften glatt und schnitt den Stoff unterhalb der Markierungslinie ab. Dabei berücksichtigte ich eine Saumzugabe von 12 mm.

Bei den Vorderteilen legte ich die Knopf- und Knopflochleisten ab deren Beginn am Kragen aufeinander, strich die Vorderteile glatt und schnitt die Stofflagen genauso ab wie beim Rückenteil.

Heute Abend geht's weiter...

[emmi]

Man erkennt am abgeschnittenen Stoffstreifen, dass die Vorderteile an der Knopf- und Knopflochleiste ungleich lang gewesen waren. Das ist ja nun behoben . Auch hatte der untere Saum des Oberhemds an den Knopf- und Knopflochleisten ziemlich derb ausgesehen. Ich wünschte mir ihn weicher und unscheinbarer. Die Knopfleiste kam zuerst dran: Ich klappte ihr unteres Ende komplett auf, bügelte die Kniffe weg und faltete den Stoff, wie er vorher auf der Innenseite gelegen hatte, exakt im Streifenlauf auf die Außenseite. So nähte ich ihn in Höhe der Saumzugabe (12 mm) fest. Die kleine "Tasche" über der Naht wendete ich auf rechts und stülpte die Ecke mit einem dünnen Häkelhaken vorsichtig heraus. Fertig war die Unterkante der Knopfleiste.

Schwieriger war es bei der Knopflochleiste...

[emmi]

Frohgemut trennte ich die unteren Enden der beiden Längsnähte auf der Knopflochleiste auf. Eine Falte und eine "Tür", dazwischen die verstärkende Einlage ― so hatte ich mir das Innenleben der Knopflochleiste nicht vorgestellt huh . Es lag auf der Hand, dass ich dieses Gebilde nicht würde wenden und wieder zurückwenden können. Mein Kompromiss war, die Einlage ein Stück weit vom Stoff abzureißen und in Höhe der Nahtzugabe abzuschneiden. Auch so würde der Saum dünner und weicher werden. Beim Vorbügeln der Konstruktion vor dem Nähen verkohlte verbliebener Klebstoff von der abgeschnittenen Einlage. Davon würde man nach dem Säumen (und erst recht nach der Wäsche) wohl nichts mehr sehen. Erst einmal nähte ich den aufgetrennten Bereich wieder zu, dann bügelte ich die Nahtzugabe um.

Es ging weiter mit dem Umlegen und Bügeln der ganzen Strecke von einem Vorderteil über das Rückenteil bis zum anderen Vorderteil. Auf rechts sah das schon ziemlich ermutigend aus.

[emmi]

Dann knickte ich die Saumzugabe nach innen um, die Schnittkante des Stoffs hinab bis in den gebügelten Kniff. So ungefähr würde der fertige Saum aussehen. Ich befestigte ihn mit Klammern und bügelte ihn vor. Auch die Saumzugabe in der bereits fertigen Knopfleiste knickte ich so weit wie möglich nach innen um. Nach dem Bügeln reichten fürs Festhalten einige wenige Klammern. Beim (knappkantigen) Festnähen halfen meine Finger beim Festhalten und beim Führen durch die Kurven.

Fertig? Die Hemdenknöpfe (mit Ausnahme derer an den Manschetten) hatte ich schon in der Bahn entsorgt. Jetzt suchte ich mir Zweiloch-Perlmuttknöpfe aus uraltem Nähkästchenfundus aus.

Da hängt sie nun, meine neue Lieblingsbluse , gewaschen und leicht gebügelt.

[Delilah-Rose]

Das ist wirklich super geworden und eine wirkliche Fleißarbeit, Hut ab.

[Fietsenfahrer]

Super Arbeit

[emmi]

Danke, Delilah und Jens, gerade heute habe ich die Bluse mit Freude getragen.

Grüße
emmi

[Inselrose]

Irre, dazu fehlt mir die Geduld.....Hut ab