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Junker & Ruh Rhenania...

Verfasst: Mi 3. Jan 2024, 12:27
von emmi
...mit der Seriennummer 38636. Meine zweite Oldie-Maschine (abgesehen vom Familienerbstück, der Frister & Rossmann von 1891). Die Seriennummer deutet auf 1877 als das Entstehungsjahr hin. Auf der hinteren Schiebeplatte wird auf Patente aus den Jahren 1873 und 1876 verwiesen. Ich hatte meine Frister & Rossmann zweimal, und zwar mit unterschiedlichen Kenntnisständen und Ansprüchen, saubergemacht. Dann hatte ich mir die Familienerbstücke von zwei Schulfreundinnen vorgenommen, eine Singer aus dem Jahr 1908 und einen Dürkopp-Schnellnäher aus derselben Zeit. Als Geschenk kam die Rhenania, bei eBay für mich gefunden! Sie war unglaublich schmutzig und verrostet, sodass ich zweifelte, dass ich überhaupt etwas würde bewirken können. Ein Nähmaschinenfreund nahm das Gefüge unter der Grundplatte auseinander und riet mir, die Teile zu kochen. Das tat ich, was das Reinigen hinterher sehr vereinfachte. Ich setzte die Maschine selbst wieder zusammen und nähte mit ihr Küchenhandtücher.

Fortsetzung folgt.

Re: Junker & Ruh Rhenania...

Verfasst: Mi 3. Jan 2024, 14:17
von emmi
Die Rhenania näht gut, aber sie ist LAUT. Ihr Nähgeräusch klingt wie das Rollen einer uralten Straßenbahn oder einer Kipplore. Den Beweis für die Nähkünste kann ich im Moment nicht antreten. Ich habe nämlich vergessen, wie das altertümliche Schiffchen einzufädeln ist. Das muss ich erneut nachschlagen. Auch das Spulen klappt hervorragend. Man muss den Faden selbst halten in einiger Entfernung von der Spule. In alten Anleitungen steht "mit einem Finger" oder "mit einer geschlossenen Schere". Auf dem Foto seht (erahnt) Ihr, dass der Faden um einen Knopf an meiner Jacke läuft. Manchmal denke ich, dass Margarete Steiff in ihrer Anfangszeit mit der Rhenania gearbeitet haben könnte. Karlsruhe war von Giengen nur nur gut zwei Eisenbahnstunden entfernt. Sie hat ihre Maschinen wohl kaum im norddeutschen Raum oder in Berlin gekauft. Ein Singer-Vertreter war wohl mal bei ihr. Wie dem auch sei, die Nähprobe wird teddyfarben sein.

Fortsetzung folgt.

Re: Junker & Ruh Rhenania...

Verfasst: Mi 3. Jan 2024, 19:02
von emmi
19:00 Uhr vorbei, stockfinstere Nacht. Trotzdem habe ich noch Bilder gemacht und poste sie jetzt auch. Die Maschine näht! Ihr atypisches Schiffchen irritierte mich vorhin. Jetzt habe ich es behandelt wie ein "ganz normales" Schiffchen (unten erstes Bild): Spule eingelegt wie üblich, Faden erscheint hinten von unten. Auf dem Bild seht Ihr Schlitze hinten mit einem Steg, der umfädelt werden muss. An meinem Schiffchen fehlt das. Deshalb mache ich weiter an der gerundeten Klappe. Von außen nach innen umfädele ich den gerundeten Steg. Dann fädele ich von innen her durch das erste Loch rechts. Viel Unterfadenspannung will ich nicht, also lasse ich alle Löcher aus und fädele den Faden zurück durchs letzte Loch links. Direkt darunter befindet sich ein Häkchen. Durch dieses lasse ich den Faden laufen und fädele ihn durch den breiten Schlitz vorne nach außen auf die Oberseite des Schiffchens. Fertig. Klappe ggf. schließen, Fadenzug kontrollieren und Schiffchen ins Schiffchenbett legen. Der Oberfaden holt sich den Unterfaden herauf und auch alle weiteren Stiche gelingen!

Kennt jemand von Euch so ein seltsames Schiffchen?

Grüße
emmi

Re: Junker & Ruh Rhenania...

Verfasst: Do 4. Jan 2024, 13:58
von emmi
Zweierlei bleibt noch zu ergänzen:
  • Ungern (am liebsten gar nicht) rücke ich für das Spulen die Nähbewegung aus. Der Ausrücker hat die Form eines Schraubverschlusses und erinnert an die Verschraubung einer uralten Thermosflasche. Er zieht sich fest und denkt nicht ans Ausrücken, bevor ich ihm mit der Rohrzange komme. Deshalb verschone ich ihn und nehme beim Spulen die Nähbewegung in Kauf.
  • Bilder von der eingefädelten Spule.
Weiß jemand einen besseren (Unter-)Fadenweg? Korrigiert mich! Ich bin froh und dankbar für jeden Tipp.

Grüße
emmi

Re: Junker & Ruh Rhenania...

Verfasst: Do 14. Mär 2024, 23:13
von kowalski
Hallo emmi,
ich kann mir vorstellen, das von dir gezeigte Schiffchen ist eine verbesserte Version, der Standardschiffchen. Der Faden läuft über den Bogen und deshalb gleichmäßiger von der Spule.
Das wäre meine Idee dazu.

Re: Junker & Ruh Rhenania...

Verfasst: Sa 16. Mär 2024, 22:57
von emmi
Ja, das leuchtet ein. Jedenfalls näht die Maschine, und zwar sehr ordentlich. Verbesserte Form der Standardschiffchen? Schon möglich, allerdings eines sehr alten Standards.

Grüße
emmi









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Re: Junker & Ruh Rhenania...

Verfasst: So 17. Mär 2024, 04:00
von ravemachine
Die Rhenania von Junker & Ruh ist ein Grover & Baker Nr. 9 Nachbau.

Das Schiffchen hat eine "Locheinfädelung mit Deckel".

Der ausklappbare Bogen ist der Deckel und in seiner Flanke/ seinem Steg befindet sich die Löcheinfädelung.

Tewes_NM-Teile-Katalog_ca.1920_Rhenania-Schiffchen.jpg

Es handelt sich hier um das "alte" Schiffchen.

Eine Weiterentwicklung ist das G&B-Schiffchen mit ausklappbarer Feder und einer Locheinfädelung in der Schiffchenwand (s. Katalog-Nr. 680).

Bei der letzten Entwicklungsstufe ist die Feder außen angebracht (wie beim gewöhnlichen [Standerd-]Schwingschiffchen) s. Katalog Nr. 681, ein Schiffchen mit "Hintereinfädelung".

Tewes_NM-Teile-Katalog_ca.1920_Haid_u_Neu_Schiifchen_680.jpg

Hier die Grover & Baker Anleitung:
Grover and Baker 9 manual_3.jpg
Grover and Baker 9 manual.pdf

Viele Grüße
Paul

"After the thread has been smoothly wound and the bobbin filled (but only even with its heads), place it into the steps on the schuttle-cover (the short end into the spring-step first) ; open like a knife-blade the spring, then through the hole nearest the heel, and lastly, out through the hole nearest the point of the shuttle and through more or less of the intermediate holes, according to the tension required. The lightest tension will be obtained by theading through both shuttle-cover and spring, when the spring is closed.
After getting the desired tension on the thread, pass the end out through the slot in the shuttle, pulling through a sufficient length to reach one inch beyond the heel of the shuttle, then shut the cover and press it until it snaps into place."

und die Google Übersetzung:

"Nachdem der Faden gleichmäßig aufgewickelt und die Spule gefüllt ist (jedoch nur mit den Köpfen), legen Sie sie in die Stufen des Spulendeckels ein (das kurze Ende zuerst in die Federstufe); Öffnen Sie wie eine Messerklinge die Feder, dann durch das Loch, das dem Scharnier am nächsten liegt, und schließlich durch das Loch, das am nächsten an der Spitze des Schiffchens liegt, und durch mehr oder weniger der Zwischenlöcher, je nach der erforderlichen Spannung. Die geringste Spannung wird erreicht, wenn man bei geschlossener Feder sowohl durch die Schiffchen-Abdeckung als auch durch die Feder zieht.
Nachdem Sie die gewünschte Spannung am Faden erreicht haben, führen Sie das Ende durch den Schlitz im Schiffchen und ziehen Sie es so weit durch, dass es 2,5 cm über das Scharnier des Schiffchens hinausreicht. Schließen Sie dann die Abdeckung und drücken Sie darauf, bis sie einrastet."


und noch eine Anleitung zum G & B-Typ von Haid & Neu mit Schiffchen Nr. 680:

(Übersetzt aus dem Norwegischen)
Haid_u_Neu_09_b3.jpg
Haid_u_Neu_10__a6.jpg

Re: Junker & Ruh Rhenania...

Verfasst: Mo 18. Mär 2024, 20:39
von emmi
Danke, Paul, das sind sehr gute Zusatzinformationen. Wenn ich mit der Rhenania wieder nähen will, werde ich nicht lange herumprobieren, sondern mich an diese Beschreibungen halten.

Grüße
emmi

Re: Junker & Ruh Rhenania...

Verfasst: Mo 18. Mär 2024, 22:53
von kowalski
Verstehe ich das jetzt richtig - der Faden wird nicht zuerst über den Bogen gezogen, weil dieser eigentlich nur der Griff zum Öffnen des Schiffchens ist?

Re: Junker & Ruh Rhenania...

Verfasst: Fr 12. Apr 2024, 21:24
von emmi
Nee. Das Schiffchen besitzt nicht den hinteren Schlitz mit dem Steg in der Mitte, über den der Unterfaden "normalerweise" gezogen wird. Stattdessen läuft der Faden über den Bogen. Der ersetzt den geraden Steg und ist für das Abspulen besser. Mit "Griff" und "Öffnen des Schiffchens" hat das nichts zu tun. Der Bogen ist ja keine Klappe, auch nicht, wenn das so anmutet. Das hattest Du doch einige Beiträge vorher schon sehr korrekt beschrieben.

Grüße
emmi